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Die Probleme der Hütten mit Latteschaum-Urlaubern

Montag, den 01. Februar 2016

Mit der steigenden Zahl der Bergwanderer wachsen die Ansprüche an Komfort. Für den Alpenverein und die Hüttenwirte wird das zum Problem – denn Auflagen machen Sanierungen zum finanziellen Kraftakt.

Auf dem Watzmannhaus, einer Hütte der Alpenvereinssektion München, hat sich erst kürzlich wieder eine junge Frau nach den Duschen erkundigt. Das Entsetzen war groß, als sie erfuhr, dass es auf der Hütte in fast 2000 Meter Höhe keine Duschen gibt, weil dort oben das Wasser knapp ist. Thomas Gesell, der Hüttenreferent der Alpenvereinssektion München, kann viele solcher Geschichten erzählen. Zum Beispiel von Wanderern, die auf Berghütten erfolglos nach Steckdosen suchen, um einen Föhn anzustecken oder ein Handy aufzuladen. Selbst Beschwerden, dass oben auf dem Berg kein Latte macchiato zu bekommen sei oder es kein WLAN gebe, erreichen den Alpenverein regelmäßig.

In der Tat wachsen die Herausforderungen und Anforderungen an Alpenvereinssektionen und Hüttenwirte stetig. Die Unbedarftheit mancher Bergwanderer hat nicht nur oft Bergwachteinsätze zur Folge. Erwartungen an Service und Gastronomie am Berg gehen oft weit über das hinaus, was geboten und geleistet werden kann. Gänzlich entziehen kann sich jedoch kaum ein Hüttenwirt dem gestiegenen Anspruch vieler Bergsteiger.

Gleichzeitig steigt die Zahl der Behördenauflagen. Ausnahmen für Hütten, einen Berg-Bonus, gibt es nicht. "Oben gelten die Anforderungen eins zu eins wie im Tal", sagt Gesell. Ob Breite der Fluchtwege, Hygienerichtlinien für die Lagerung von Lebensmitteln, Arbeitsstättenrichtlinien oder Abwasseraufbereitung – all das ist gesetzlich geregelt und gilt auch in 2500 Meter Höhe. Ein Kraftakt für die Sektionen.

70 Schlafplätze, 2 Toiletten – heute nicht mehr vermittelbar

Bestes Beispiel ist die Höllentalangerhütte am Fuß der Zugspitze, die vor wenigen Wochen eröffnet wurde. Nur aufgrund zahlreicher behördlicher Auflagen musste sie um ein Drittel größer gebaut werden als geplant. Mehr Funktionen als früher bietet sie aber nicht.

Im Allgäu hat man sich ebenfalls zu einem radikalen Schritt entschieden. Insbesondere wegen der Brandschutzauflagen sah sich die Sektion Allgäu-Immenstadt zum Abriss des 140 Jahre alten Waltenbergerhauses veranlasst. Hinzu kam, dass die Hütte insgesamt zu klein war. Die Hüttenwirtsfamilie musste in einer 15 Quadratmeter großen Stube leben. Lagerräume gab es nicht. Und obwohl die Hütte 70 Schlafplätze hatte, gab es nur zwei Toiletten und im Gastraum nur Platz für 45 Gäste. Das ist heute kaum mehr vermittelbar. Mehr als drei Millionen Euro soll der Neubau der ältesten Alpenvereinshütte im Allgäu kosten, 2017 soll das neue Waltenbergerhaus eröffnen.

Mehr als eine Million Mitglieder zählt der Deutsche Alpenverein, mehr als die Hälfte davon kommt aus Bayern. Nicht nur die Mitgliederzahlen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Weil immer mehr Menschen ihre Freizeit in den Bergen verbringen, erleben auch die Hütten einen wachsenden Ansturm.

Je nach Witterung zwischen 750.000 und 850.000 Übernachtungen zählen die 354 DAV-Sektionen, mehr als die Hälfte davon in Bayern, auf ihren 326 Hütten in Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz. Ein großes Geschäft machen die Sektionen des DAV mit den Hütten aber nicht. Rund zehn Millionen Euro investieren sie jedes Jahr in die Instandhaltung. Kann sich eine Sektion die hohen Kosten nicht leisten, werden Hütten entweder verkauft oder geschlossen.

Matratzenlager? Sind vermutlich bald Geschichte

Mit der Riesenhütte im Hochriesgebiet oberhalb von Aschau in den Chiemgauer Alpen geschah das. Zwar hatte die Eigentümerin der Hütte, die Sektion Oberland, bei ihrer Mitgliederversammlung im Frühjahr beschlossen, die Hütte zu sanieren. Gleichzeitig wollte der Vorstand die Hütte noch in diesem Sommer wiedereröffnen. Doch selbst für eine provisorische Öffnung müssten erst zeitaufwendige und teure Baumaßnahmen in Höhe von 1,2 Millionen Euro durchgeführt werden. Eine finanzielle Herausforderung, die die Sektion nicht bewältigen kann. Die beliebte Hütte bleibt deshalb voraussichtlich bis zur Generalsanierung 2019 geschlossen.

Um die Hütten wirtschaftlich betreiben zu können, überlegt man beim DAV sehr genau, welche Angebote die Hütten bieten müssen, um Gäste anzulocken. "Duschen werden zunehmend als selbstverständlich erwartet. Und auch eine Steckdose, um sein Handy zu laden, braucht der Gast heute offensichtlich", sagt Hanspeter Mair, der Geschäftsbereichsleiter Hütten beim Deutschen Alpenverein. Komfort wird immer mehr ein Thema. Beim DAV will man langfristig die Matratzenlager mit 40 Schlafplätzen aufgeben. Zwar soll nicht vollständig auf Lager verzichtet werden, weil sie vor allem bei Jugendgruppen sehr beliebt sind. "Bei der Sanierung legen wir aber mehr und mehr Wert auf kleinere Einheiten", sagt Mair.

Bloß keine Bettenburgen in die Landschaft stellen

Die Zimmer werden nicht nur zu kleineren Einheiten, die Bergsteiger bekommen auch mehr Platz. Statt 60 Zentimeter wie früher, sind die Matratzen heute 80 Zentimeter breit. Für die Hütten bedeutet das aber, dass insgesamt weniger Bergsteiger dort untergebracht werden können. Auch wenn es einen Trend in die Berge gibt, reduziert der DAV damit seine Bettenkapazitäten sogar. "Wir bauen vorausschauend und so, dass es dem Bedarf entspricht und nachhaltig ist", erklärt Mair. Keine Bettenburgen will man in die Landschaft stellen.

Vielmehr sollen Bergsteigerströme gelenkt werden. Das ist auch der Sinn des Online-Reservierungssystems, das der DAV ab nächstem Jahr anbieten will. Dann sollen Bergsteiger ihren Schlafplatz auf der Hütte wie das Hotel im Tal ganz bequem online reservieren können. Die Nachfrage ist da bei den Bergsteigern. Außerdem erleichtert die Online-Buchung die Tourenplanung.

"Gäste können dort oben auch mal auf Internet verzichten"

Auf bestimmte Modernisierungen verzichtet man beim DAV aber bewusst. Auch wenn Curry-Wurst mit Pommes auf talnahen Hütten der Renner wäre, werden bei Küchenmodernisierungen kategorisch keine Fritteusen eingebaut. Und auf der Höllentalangerhütte hat man im Zuge des Neubaus bewusst darauf verzichtet, den Gästen einen WLAN-Zugang anzubieten.

"Die Hütte hat zwar einen Internetanschluss, aber wir finden, dass die Gäste dort oben auch einmal auf Internet verzichten können", sagt Gesell. Das ist kein kategorisches Nein gegen das Internet auf Berghütten. Denn auf dem Taschachhaus im Pitztal zum Beispiel, einem Ausbildungsstützpunkt des DAV, auf dem sich die Gäste meist fünf Tage lang aufhalten, gibt es neben einem frei zugänglichen WLAN sogar ein PC-Terminal.

Spezialitäten-Tempel in alpiner Höhe

Braucht es aber auf einer Hütte einen Spielplatz, wo doch die Natur genug Erlebnisse für die Kinder bereithalten würde? Auch der Münchner Hüttenreferenten Gesell war zunächst skeptisch. Trotzdem ließ er sich überzeugen. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Kinder einfach wieder auf die Hütte mit dem Spielplatz wollen", sagt Gesell. Für die Albert-Link-Hütte im Spitzingsee-Gebiet hat sich der Erlebnisspielplatz ausgezahlt.

Das Wichtigste für das Gros der Wanderer beim Besuch einer Berghütte bleibt aber, das zeigt die Erfahrung, das Essen. Während es in der Schweiz oder in Frankreich einfach nur ein Gericht gibt, das dem Bergsteiger dann schmecken muss, sind die Hütten des DAV teilweise sogar richtige Spezialitäten-Tempel. Schon zum Frühstück kann der Bergsteiger vom Büffet wählen, oft werden regionale Produkte raffiniert verfeinert und variiert.

Auch wenn die Ansprüche insgesamt steigen. Die Erfahrung von Thomas Gesell zeigt, dass die meisten Gäste trotz anfänglichem Murren und Erstaunen schlussendlich doch gar nicht so viel brauchen, um am Berg zufrieden zu sein. "Eine saubere Hütte und eine authentische Speisekarte, damit sind die meisten Bergsteiger noch immer glücklich und zufrieden." Sind die Grundbedürfnisse gestillt, können Bergsteiger auch mal einen Tag auf die Dusche verzichten.

Foto: DAV-Sektion München

Kategorie: Hütte