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Was hat Wandern mit Mathematik zu tun?

Montag, den 19. September 2016

Für Wanderungen werden die die Zeitangaben werden in jedem Land unterschiedlich berechnet. Oft stimmen sie mit der Realität nicht überein.

Dass die Wanderer wie zum Beispiel in der Schweiz langsamer wandern als früher, das ist amtlich festgelegt. Momentan schaffen sie 4,2 Kilometer pro Stunde zu Fuß. Anhand dieser Statistik wurden so die Stunden- und Minutenangaben auf den 50 000 gelben Wegweisern an den Schweizer Wanderpfaden errechnet . Früher in den Siebzigerjahren schritten sie etwas schneller, denn damals wurde die Durchschnittsgeschwindigkeit auf 4,5 Kilometer pro Stunde taxiert.

Doch trau keiner Statistik, die du nicht selbst erstellt hast, denn die Rechnung hat einen Haken: Sie gilt nur in der Ebene, und in der Schweiz gibt es kaum plattes Land. Vor großen Problemen stellen die Höhen und Tiefen der alpinen Topografie die Marschzeitkalkulatoren seit eh und je. Früher wurden gewisse Strecken schlicht abgelaufen. In der Vergangenheit waren es die technisch schwierigeren Etappen, welche sich dem Stoppuhr-Test unterziehen mussten. Wege also, die sich durch reichliches Auf und Ab auszeichneten.

Viele Wanderer halten zum Beispiel die Zeitvorgaben im Wallis oder in Graubünden für "unmenschlich", denn man kann vermuten, das nur durchtrainierte Alpinisten früher als Messtrupp zum Einsatz kamen.
Anders ist es ja kaum zu erklären, dass man in einigen Regionen sein Ziel niemals in der angegebenen Zeit erreicht, sondern - trotz aller Fitness - den Vorgaben immer hinterherläuft.

Die damalige Abschreitmethode ist schon längst durch objektivere Maßstäbe ersetzt worden. Schon damals empfahl Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Wanderwege neben der empirischen Methode durch Ablaufen noch zwei weitere Varianten, mit denen sich die Marschzeit ermitteln ließ. Und zwar zum einen mit einer einfachen Berechnung. Allerdings floss dabei die Steilheit von Wegen im Gebirge - also der wichtigste Faktor, der einen Wanderer schnell oder langsam macht - nur grob ein.

So blieben Steigungen und Gefälle bis vier Prozent unberücksichtigt; dort verwendete man damals zeitweise den gemächlichen Richtwert von 4,2 Kilometern pro Stunde. Lag die durchschnittliche Steilheit zwischen vier und 20 Prozent, gab es einen Aufschlag von einer Minute pro zehn Höhenmeter, dafür wurden in der Strecke sportliche sechs Kilometer pro Stunde verlangt. Ging die Steigung über 20 Prozent, wurden pro zehn Höhenmeter fast zwei Minuten mehr kalkuliert.

Die zweite Variante war etwas gründlicher und wohl auch weiter verbreitet: Man konnte die Gehzeiten für die einzelnen An- und Abstiegsetappen aus einem offiziellen Diagramm herauslesen, das zwischen den empirischen Messungen interpolierte. Basis war ein Grundtempo von 4,5 Kilometern pro Stunde.

Doch auch dieses Verfahren war den Schweizern damals zu ungenau. So wurde schon vor Jahrzehnten eine Formel entwickelt, welche die Berechnung erheblich verbessert. Dieses ist Gerhard Weber - Ex-Mitarbeiter beim Bundesamt für Landestopografie - zu verdanken. Dieser hat sich in den 1980er-Jahren 162 Bergstrecken in mühevoller Kleinarbeit aus der Landeskarte herausgesucht. Diese wiesen jeweils unterschiedliche, aber konstante Steigungen auf. So ist Gerhard Weber, mit der Stoppuhr in der Hand, eine nach der anderen abmarschiert.

Dabei notierte er die Zeitmessungen der Teststrecken penibel. Gerhard Webers Sohn Stephan - ein EDV-Freak - entwickelte auf dieser Grundlage ein Polynom 15. Grades, das sich leicht per Computer berechnen ließ und fortan für jeden Streckenabschnitt standardisierte Marschzeiten lieferte. Mit den 16 darin enthaltenen Konstanten lassen sich allerdings nur Steigungen und Gefälle bis 40 Prozent korrekt abbilden. Geht es steiler bergauf oder bergab, so muss linear extrapoliert werden. Seit etwa zehn Jahren ist diese Berechnungsmethode in der ganzen Schweiz fest etabliert; ältere Wegweiser mit anders berechneten Zeitangaben dürfte es kaum noch geben.

Tja, auch beim Wandern steckt ein bisschen Mathematik drin, aber das wichtigste ist nicht die Zeit, sondern das Gefühl oben mit einem traumhaften Blick belohnt zu werden und als Krönung noch die Einkehr in den vielen tollen und urigen Hütten und Almen.


Kategorie: Wandern